Nachdem die meisten Unternehmen heute mindestens ein agiles (Scrum-)Team vorweisen können, setzt die Agilität zum Sprung in die Organisation an. Kaum ein Kästchen im Organigramm ist vor der agilen Revolution sicher - befeuert von einem Beratermarkt, der die Unternehmen, einem Kreuzzug gleich, mit der neuen, einzigen Wahrheit überrollt. Wer die Lösung wie ein heiliges Buch vor sich herträgt, dem verdeckt sie oft die Sicht auf das Problem (wenn es denn überhaupt ein Problem gibt). Deshalb möchte ich der Frage ‘Wie werden wir eine agile Organisation?’ mit einer Frage begegnen: ‘Warum wollt Ihr eine werden?’ Jetzt wird es fundamental, jetzt sprechen wir über Werte, Nutzen, Sinn und Gesundheit. Die Frage ‘Agile Organisation? Warum?’ führt uns zum Kern einer Organisation. Nur dort werden wir die Antwort finden.
Ausführlichere Beschreibung:
In der Softwareentwicklung ist der Siegeszug agiler Vorgehensweisen nach wie vor ungebrochen - zumindest, wenn man ‘Agil’ auf die Mechanik von Scrum beschränkt. Die lässt sich nämlich vergleichsweise einfach etablieren und befolgen. Schwieriger wird es, wenn man sich an die Wertepaare und Prinzipien des Agilen Manifests wagt. Spätestens dann wird deutlich, dass eine agile Denkweise nicht an der Tür zum Projektraum Halt macht. Und schon steht ein großer Begriff im Raum: die agile Organisation. Wie begegnet man ihm? Offen und einladend? Höflich lächelnd? Ehrfürchtig? Ablehnend? Bevor sich die Menschen in einer Organisation diese Frage stellen, sollten sie zunächst einmal darüber nachdenken, was sie von agilem Denken und Handeln erwarten.
‘Wie passt Agilität zu uns und zu dem, was wir tun?’
So kann die erste Frage lauten. Viele schlaue Menschen haben sich dazu Gedanken gemacht (einige von ihnen schon vor langer Zeit) und Modelle entwickelt, die bei der Beantwortung dieser Frage helfen. ‘Passt nicht!’, kann dann die Antwort lauten. Wer will schon ein agiles Atomkraftwerk in seiner Nachbarschaft haben?
Stellen wir die Frage nun ein wenig anders:
‘Wie passt Agilität zu uns und zu der Art, wie wir denken und handeln?’
Anstatt die agile Denkweise einfach auf unsere Welt zu projizieren, wagen wir den Perspektivwechsel und betrachten unsere Welt aus verschiedenen Blickwinkeln: Tun wir das Richtige? Machen wir es richtig? Ist unsere Organisation gesund? Ist unser Handeln sinnhaft und zweckvoll?
Drehen wir die Fragen um:
‘Wir denken und leben agil - wie sollte dann unsere Organisation beschaffen sein? Was braucht sie, um gut zu funktionieren?’
Eine Antwort auf diese Frage lautet: die agile Organisation braucht Menschen. Gar nicht so einfach, die passenden zu finden und ihnen die geeigneten Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten und Angebote für echte Partizipation zu machen. Wie gut, dass auch auf diesem Gebiet viel gedacht und experimentiert wurde. So gibt es heute viele verschiedene Werkzeuge und Helferlein, mit denen man sofort loslegen kann - solange man nicht den Anspruch hat, nach den ersten Erfolgen das Prädikat ‘Agile Organisation’ verdient zu haben. Aber das wäre ja nicht agil…
Dipl.-Inform. Holger Koschek ist selbstständiger Berater, Trainer und Coach. Er begleitet Projekte und Organisationen bei der Einführung und Verankerung agiler Denk- und Vorgehensweisen im Produktmanagement, Projektmanagement und der Unternehmensführung. Dabei stützt er sich auf seine langjährige Erfahrung mit objektorientierter und agiler Softwareentwicklung. Holger Koschek ist Autor der “Geschichten vom Scrum” sowie Koautor von “Scrum - kurz & gut” und anderer Fachpublikationen. Er ist regelmäßiger Sprecher auf Konferenzen und engagiert sich in verschiedenen agilen Communitys.