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Agile Methoden als Wegbereiter eines neuen Typs der Industrialisierung in der Softwareentwicklung (Andreas Boes)Agile Methoden gelten als lebendiges Gegenkonzept zur Industrialisierung und Bürokratisierung der Softwareentwicklung. Denn während diese traditionellen Auffassungen auf hochgradige Arbeitsteilung, minutiöse und vollständige Vorausplanung sowie bürokratische Entmündigung der Entwickler zielen, zeichnen sich agile Methoden im Gegensatz dazu durch selbstorganisierte und autonome Teams, inkrementelle und pragmatische Planungsverfahren sowie ganzheitliche Tätigkeitszuschnitte aus. Und dennoch scheint es kein Versehen zu sein, dass aktuell in großen Unternehmen agile Methoden im Verbund mit Verfahren der "Lean Production", einem in der Automobilindustrie entwickelten Konzept der "Neo-Industrialisierung", zur tiefgreifenden Umwälzung der Softwareentwicklung eingeführt werden. In meinem Beitrag werde ich dieser Spur folgend die Vermutung begründen, dass agile Methoden ein notwendiger Bestandteil eines neuen Typs der Industrialisierung im Feld der Softwareentwicklung sind. Während sie also zur klassischen, tayloristischen Form der Industrialisierung im Widerspruch stehen, könnten sie einem neuen Typ der Industrialisierung geradezu das Feld bereiten. Dies scheint mir der tiefere Grund dafür zu sein, dass erfahrene Softwareentwickler der Melange aus agilen Methoden und "Lean Management" bisweilen skeptisch begegnen. Denn sie erwarten eine Entwertung ihres Wissens, ihres Expertenstatus und ihrer Stellung im Unternehmen. Für die Verbreitung agiler Methoden hätte dies zwei unterschiedliche Konsequenzen. Erstens werden ihre Befürworter in Zukunft leichter Gehör bei den Entscheidern in den Unternehmen finden. Zweitens geraten sie in der Praxis in ein komplexes und häufig unübersichtliches Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen. Sich dazu kritisch und konstruktiv zu verhalten, wird zu einem zentralen Erfolgsfaktor bei der Weiterentwicklung und Verbreitung agiler Methoden in der Praxis. Über den ReferentenPD Dr. Andreas Boes ist habilitierter Soziologe mit langjähriger Forschungs- und Beratungserfahrung in der Arbeits- und Industriesoziologie, unter anderem als Leiter des Instituts für Sozialwissenschaftliche Forschung in Marburg (1991–1993), selbstständiger Forscher und Berater (1993–1998) und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der technischen Universität Darmstadt. Seit 2000 ist er am Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung – ISF München tätig, wo er dem Vorstand angehört. Seit 2006 lehrt er zudem als Privatdozent an der Technischen Universität Darmstadt. Zu seinen wichtigsten, seit über zehn Jahren verfolgten Forschungsgebieten zählen die Informatisierung und Globalisierung von Wirtschaft, Arbeit und Gesellschaft. |